Die spanische Delegation der EVP-Fraktion im EU-Parlament fordert, dass die Westsahara aus dem Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko ausgeschlossen wird.
Foto: Ein Lastwagen auf dem Weg zu den Plantagen in Tinighir, Dakhla, um Tomaten für den Transport nach Marokko abzuholen.
Die spanische Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) – der größten Fraktion im Europäischen Parlament – hat eine Überarbeitung des Handelsabkommens der EU mit Marokko gefordert, um Produkte aus der Westsahara ausdrücklich auszuschließen.
In einer Rede vor dem Petitionsausschuss des Parlaments am 17. Juli 2025 warnte die spanische Europaabgeordnete Carmen Crespo vor einem „inakzeptablen Ungleichgewicht” auf dem EU-Obst- und Gemüsemarkt, das durch steigende Importe aus Marokko und das Fehlen angemessener Schutzmaßnahmen für EU-Erzeuger:innen verursacht werde. Sie forderte Gegenseitigkeitsmechanismen, verbindliche Einfuhrquoten, strengere Kontrollen und „vor allem” den Ausschluss von Waren aus der besetzten Westsahara.
Crespo äußerte sich fünf Tage bevor die Europäische Kommission den EU-Rat aufgefordert hatte, neue Handelsgespräche mit Marokko aufzunehmen, die erneut die Westsahara einschließen würden, wie WSRW Anfang dieser Woche bekannt gab.
EU-Landwirt:innen – und insbesondere Spanische – sind seit einem Jahrzehnt von der Einbeziehung marokkanischer Betriebe in der besetzten Westsahara in das Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko negativ betroffen.
Crespo, die auch Vorsitzende des Fischereiausschusses des Europäischen Parlaments ist, verwies auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober 2024, in dem bestätigt wurde, dass die Westsahara ein von Marokko „gesondertes und unterschiedliches“ Gebiet ist und dass ihre Einbeziehung in ein Abkommen zwischen der EU und Marokko der Zustimmung des sahrauischen Volkes bedarf. Sie kritisierte die fortgesetzte Einfuhr von Produkten aus der Westsahara unter marokkanischer Kennzeichnung als Verstoß gegen das Völkerrecht, Irreführung der europäischen Verbraucher:innen und Wettbewerbsverzerrung.
In der Erklärung wurde Marokko außerdem aufgefordert, der EU eine Entschädigung zu zahlen, falls sich die von Crespo auf bis zu 70 Millionen Euro geschätzte Steuerhinterziehung bestätigen sollte.
Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) hat sich im Europäischen Parlament stets der Haltung Marokkos zur Westsahara angeschlossen und trotz klarer Rechtsprechung des EuGH häufig Abkommen unterstützt, die für das besetzte Gebiet gelten. Die Fraktion hat sich generell gegen Bemühungen ausgesprochen, die Westsahara ausdrücklich aus EU-Handels- oder Fischereiabkommen auszuschließen, obwohl eine Reihe ihrer Abgeordneten – insbesondere aus Nordeuropa – eine abweichende Meinung vertreten.
Im Jahr 2019 – Jahre nachdem der EU-Gerichtshof bereits entschieden hatte, dass die Anwendung solcher Abkommen auf die Westsahara ohne Zustimmung der Sahrauis rechtswidrig ist – unterstützte die EVP mit überwältigender Mehrheit ein überarbeitetes Handelsabkommen, das die Westsahara ausdrücklich in seinen Geltungsbereich einbezog. Genau dieses Abkommen wurde im Oktober 2024 erneut vom EU-Gerichtshof für nichtig erklärt. Wie die einzelnen Abgeordneten bei der Abstimmung 2019 abstimmten, erfahren Sie hier.
Gleichzeitig wurde ein Vorschlag, das überarbeitete Handelsabkommen zunächst dem EU-Gerichtshof zur gerichtlichen Überprüfung vorzulegen, von einer Mehrheit der Abgeordneten, darunter die meisten Mitglieder der EVP-Delegation, abgelehnt. Dies geschah trotz Warnungen spanischer Landwirt:innen, dass das Abkommen den Obst- und Gemüseproduzenten der EU schaden würde.
„Die derzeitige Haltung der spanischen EVP wird zwar als Verteidigung der EU-Landwirt:innen dargestellt, ihre Anerkennung der Position des EuGH zur Westsahara ist jedoch sehr zu begrüßen“, sagte Sara Eyckmans von WSRW.
„Die gleichen Urteile gelten auch für das Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko. Wir ermutigen daher die spanische EVP, konsequent zu sein und die Angleichung aller EU-Abkommen, einschließlich der Fischereiabkommen, an das Recht – und an das Recht des sahrauischen Volkes, über sein eigenes Land und seine Ressourcen zu entscheiden – zu unterstützen.“
Die Westsahara ist seit 1963 von den Vereinten Nationen als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung gelistet. Marokko marschierte 1975 in die Westsahara ein, unter Missachtung der UNO und des Internationalen Gerichtshofs, der keine souveränen Bindungen zwischen Marokko und dem Gebiet festgestellt hatte. In zehn aufeinanderfolgenden Urteilen seit 2015 hat der EuGH entschieden, dass die Westsahara von Marokko gesondert ist und dass jedes Abkommen, das sie betrifft, der Zustimmung des sahrauischen Volkes, vertreten durch die Frente Polisario, bedarf.
Der EuGH hatte bereits 2016 die Anwendung des Handelsabkommens zwischen der EU und Marokko auf die Westsahara für rechtswidrig erklärt. Eine geänderte Fassung, für die die Zustimmung der Sahrauis weder eingeholt noch erteilt worden war, wurde im Oktober 2024 erneut für nichtig erklärt, wobei ihre Anwendung noch bis zum 4. Oktober 2025 zulässig ist. Im Oktober 2024 wurden zwei weitere Urteile zur Westsahara erlassen: eines, mit dem die Anwendung des Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko in diesem Gebiet aufgehoben wurde, und ein weiteres mit sofortiger Wirkung, wonach Produkte mit Ursprung in der Westsahara als solche und nicht als „marokkanisch“ gekennzeichnet werden müssen.
Die Forderung der spanischen Konservativen nach einem Ausschluss der Westsahara aus den Handelsbeziehungen zwischen der EU und Marokko würde – falls sie umgesetzt würde – ihre Position näher an diesen verbindlichen Rechtsrahmen bringen.
Die spanische Fraktion ist die drittgrößte nationale Gruppe in der EVP (nach den deutschen und polnischen Delegationen). Die deutsche EVP-Delegation war maßgeblich daran beteiligt, dass die Anwendung des EU-Fischereiabkommens in der Westsahara im Jahr einer Parlamentsabstimmung 2011 vorübergehend ausgesetzt wurde.
Die Jugendorganisation der EVP, YEPP, forderte bereits 2013 den Ausschluss der Westsahara aus den Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko.
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